AKTUELLES / BERICHT DES KREISVORSITZENDEN ZUR EUROPAPOLITISCHEN SITUATION (10.04.2003)

„ Ja - Erweiterung und Verfassung“

Dieses Motto des letzten Bundeskongresses der Europa-Union Deutschland im November 2002 in Hameln beschreibt die gegenwärtigen Schwerpunkte der Europapolitik ganz passend:

- die Osterweiterung der Europäischen Union

- die Arbeiten an einem Europäischen Verfassungsvertrag

Leider ist in der Zwischenzeit ein drittes -leider negatives- Thema hinzugekommen:

- die Position Europas in der Irakkrise.

Die (Ost-) Erweiterung der Europäischen Union :

Am 16. April 2003 (also in 6 Tagen !) werden in Athen feierlich die Verträge für die 10 neuen Beitrittsländer unterzeichnet; die noch notwendigen Ratifizierungen und Referenden in diesen Ländern laufen bereits.
Ab 1. Mai 2004 sind dann die 10 Länder Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern in die EU aufgenommen und nehmen bereits an der nächsten Europaparlamentswahl im Juni 2004 teil. (Mit Bulgarien und Rumänien wird weiterverhandelt; für die Türkei ist die Prüfung der Beitrittsfähigkeit auf 2004 verschoben worden)
Mit dieser grössten Erweiterung ihrer Geschichte wächst die EU von jetzt 15 auf dann 25 Mitgliedsstaaten, ihre Fläche vergrössert sich fast um 50 Prozent. Ihre Einwohnerzahl steigt von 275 auf 510 Mio und beträgt dann doppelt soviel wie die USA(270) bzw. 4x soviel wie Japan (125 Mio) !
Allerdings erreichen beim Bruttoinlandsprodukt pro Einw. (in KKS=Kaufkraftstandard) die 2 „reichsten“ Beitrittsländer Zypern (17.100) u. Slowenien (15.000) nur das Niveau der beiden „ärmsten“ alten Länder Griechenland (14.100) bzw. Portugal (15.800), während die „ärmsten“ Neuen, Lettland (5.800) und Litauen (6.200) nur bei etwa einem Drittel der so gemessenen Wirtschaftskraft liegen.

Diese Erweiterung ist „kein notwendiges Übel, sondern eine einmalige historische Chance“, wie es Romano Prodi 2000 im Europaparlament ausgedrückt hat. Es ist zu erwarten, dass sie den EU-15 Ländern ebenso nützt wie den Beitrittsstaaten, sowohl wirtschaftlich wie politisch. Jedenfalls - und das soll gerade uns in einer bisherigen Grenzregion zugute kommen - stabilisiert diese Erweiterung langfristig Frieden, Freiheit, Sicherheit und Wohlstand in einem sich dann schon fast räumlich vollendenden Europa.

Dabei darf und soll nicht übersehen werden - wenn es auch gesamtpolitisch in Kauf genommen werden muss- , dass es durchaus auch Mängel dieses Erweiterungs-Prozesses gibt und kurzfristig nicht unerhebliche Probleme der Übergangsphase von wohl mehr als einem Jahrzehnt - gerade bei uns - zu spüren sein werden, die allerdings von den langfristigen Vorteilen aufgewogen werden dürften.

Der KONVENT für den europäischen Verfassungsvertrag

ist seit 28.02.2002 in Brüssel eingerichtet. Er soll seine Ergebnisse bereits am 21.Juni 2003 auf dem Gipfel von Thessaloniki präsentieren, d.h. einen kompletten Verfassungsvertrag vorlegen, der dann im Herbst 2003 verabschiedet werden soll, um die dauerhafte Grundlage für die Arbeit der (erweiterten) EU zu bilden - also eine Aufgabe von wahrlich historischer Dimension !
Dieser Konvent unter dem Vorsitz des früheren französischen Staatspräsidenten Giscard d´Estaing besteht aus insgesamt 105 Vertetern der Regierungen und Parlamente der Mitgliedsstaaten (und der 13 beitrittswilligen Länder). Er tagt einmal monatlich im Plenum und ansonsten in Arbeitsgruppen und -kreisen. Seine Arbeit lässt sich anschaulich verfolgen im Internet unter http:// european-convention.eu.int . Dort sind unter Dokumente auch die nachfolgend zitierten, umfangreichen Textentwürfe abrufbar.
Unter dem 28.10.2002 hat das Präsidium den ersten Strukturentwurf des Vertrags als eine Art Inhaltsverzeichnis vorgelegt („CONV 369/02“). Ein erster Textentwurf mit Erläuterungen zu den ersten 16 Artikeln wurde am 06.02.2003 präsentiert (CONV 528/03).

Wir befinden uns also mittendrin in der entscheidenden Phase der inhaltlichen Erarbeitung der europäischen Verfassung und sollten dem viel mehr Aufmerksamkeit schenken als bisher geschehen! Denn jetzt sind noch Weichenstellungen möglich wie schon in einigen Monaten wahrscheinlich nicht mehr! Deshalb hat auch die oberpfälzer Europa-Union mit dem anliegenden Papier vom 24.01.2003 zu dem gegenwärtigen Diskussionsstand im Konvent Stellung bezogen.

Obwohl eine unübersehbare Vielzahl von Einzelfragen zu bewältigen ist, sollten wir die grossen Ziele und Forderungen an den neuen Verfassungsvertrag nie aus dem Auge verlieren:

- eine -zwingend nötige- Institutionenreform für eine demokratischere, transparentere und dennoch effektive Arbeit eines erweiterten Europa mit 25 und mehr Mitgliedsstaaten

- eine Kompetenzordnung nach einem strikten Subsidiaritätsprinzip, die klare Aufgabenbestimmungen und vor allem -begrenzungen enthält, d.h. eher Zuständigkeiten auf die nationalen, regionalen und lokalen Ebenen zurückgibt oder belässt als sie an sich reißt.

- eine inhaltliche Weiterentwicklung zu einer politischen Union mit gemeinsamen Werten wie (denselben) Grundrechten (die an markanter Stelle im Vertrag verankert werden müssen!) oder auch einer gemeinsamen Außenpolitik -wie sie leider in der gegenwärtigen Irakkrise gerade nicht gelungen ist!

Die (europa-)politische Entstehungsgeschichte des IRAKKRIEGS

hat überdeutlich gezeigt, dass die europäische Integration noch lange nicht vollendet ist! Eine geschlossene(re) europäische Position hätte nicht nur im Verhältnis zu den USA grössere Wirkung entfaltet. Vor allem hätte sie eine Chance bilden können, den Krieg zu verhindern. Statt dessen ist -wenn dies im Moment des tobenden Kriegs auch nicht das Wichtigste ist ! - das innere Verhältnis der EU-Staaten (incl. der Beitrittsstaaten!) so zerrüttet wie kaum zuvor .
Bleibt nur zu hoffen, dass sowohl der Irakkrieg als auch diese Europakrise schnell beendet werden können.